NS-Verbrechen im Neandertal

Tour 40822 Mettmann, DE

Rundgang zu den Stätten der Verfolgung und Ausbeutung zwischen 1933 und 1945 im Neandertal: Inhaftierung politischer Gegner auf der "Koburg", Verhöre und Verhaftungen im Heim für Auslandsdeutsche (Rückwandererheim) und Zwangsarbeit in den Kalksteinbrüchen.

Author: Kreis Mettmann - Kreisarchiv

Gedenkort im Neandertal

Gedenkort im Neandertal

75 Jahre sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und damit seit den Gräueltaten der Nazis verga...

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Gedenkzeichen "Heller Schatten"

40822 Mettmann, DE

KONZEPTION

Eine menschengroße Figur aus Glas zeigt als Silhouette den Umriss eines Körpers. Diese in Analogie zu einem Schattenriss konzipierte Figur zeigt in klarer Körpersprache einen Mann in Handfesseln, den Kopf nach hinten geworfen in Schmerz oder Flehen nach Erlösung.
Die Figur bildet eine anonyme Projektionsfläche für das Schicksal der misshandelten und getöteten Menschen, die Opfer des NS-Systems im Neandertal wurden.

MATERIAL UND TECHNIK

Die einseitig matte Textur ermöglicht es, die vorherrschende Sonnenbestrahlung bzw. aktive Beleuchtung effektiv in der Form der Figur einzufangen. Unter lichtschwachen Bedingungen wird die Figur wie ein schemenhafter Umriss im nebeligen Dunst wirken und Assoziationen von Auflösung und Auslöschung wecken.

DER TITEL

Der Titel behandelt die Art der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den Gräueltaten des Nationalsozialismus. Sie markieren den dunkelsten Abschnitt unserer Geschichte, der in seiner mahnenden Dringlichkeit einen hell ausgeleuchteten Platz in unserem kollektiven Erinnern und Gedenken genießen sollte.
Darüber hinaus soll mit dem Entwurf und der Betitelung Heller Schatten eine Brücke in die politische Gegenwart geknüpft werden.
In der Medizin verbirgt sich hinter einem „hellen Schatten“ auf einem Röntgenbild oftmals eine Krebsdiagnose. Der Krebs dient hierbei als Metapher für den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen, die solidarische und humanistische Werte des Gemeinwohls hinter sich lassen und nach jahrelangem Wachstum die Gesellschaft nun maßgeblich mit Hass zu zersetzen gedenken.
Der Aspekt der Mahnung und Ermahnung durch das Gedenkzeichen an Entwicklungen im Hier und Jetzt spannt einen wichtigen Bogen zu den unzähligen Opfern des Nationalsozialismus, den Opfern genau dieses gesellschaftlichen Verfalls.

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Der Text ist von der Künstlerin Franziska Peter, die 1980 in Wriezen geboren und in Bernau bei Berlin aufgewachsen ist.
Sie studierte u.a. Kunstgeschichte und Konzeptkunst.

Koburg

Diepensiepen 10C, 40822 Mettmann, DE

Die sogenannte Koburg ist ein im Neandertal auf einer Anhöhe gelegenes burgartiges Gebäude, das sich die Mettmanner Industriellenfamilie Wilhelm Kocherscheidt 1921 als Wohnhaus gebaut und bis etwa 1929/30 auch bewohnt hat. Im Volksmund war zu dieser Zeit für das Anwesen der Name "Koburg" als Abkürzung für "Kocherscheidts Burg" aufgekommen.

In der Koburg waren von Juni bis September 1933 die Geschäftsräume der SA-Standarte 258 untergebracht. Das abseits gelegene Gebäude spielte als Haft- und Folterstätte eine zentrale Rolle bei der Verfolgung der politischen Gegner in der Anfangsphase der nationalsozialistischen Diktatur. Dort fanden Vernehmungen und vorübergehende Inhaftierungen von Mitgliedern und Sympathisanten der KPD und SPD sowie Gewerkschaftsmitgliedern statt, für die es keine Fluchtmöglichkeit gab. Die Gefangenen wurden für einen oder mehrere Tage festgehalten und vernommen, häufig auch misshandelt und gefoltert. Dabei kam im September 1933 Wilhelm Schmitt aus Hilden auf nie geklärte Weise ums Leben.

Die gewalttätigen Einschüchterungen begannen für die Gefangenen schon bei der Ankunft. So berichtete der Pflasterer Heinrich Küche:

„Wir wurden sofort zur Wache in der Koburg geführt. Dort wurden wir ohne ersichtlichen Grund geschlagen. Soweit ich beobachtet habe, bekamen sämtliche Schutzhäftlinge, die in der Koburg untergebracht waren, Schläge, und zwar mit der Hand und mit dem Gummiknüppel. […] Mir wurden nach meiner Einlieferung von einem anderen Häftling die Haare abgeschoren. Dabei gab mir dieser, offenbar auch unter Zwang, mehrere Ohrfeigen. Ich wollte mich wehren, wurde aber von den anwesenden SA-Leuten daran gehindert und aufgefordert, mit diesem Friseur einen regelrechten Boxkampf zu machen. “

Die Misshandlungen mussten die Häftlinge solange über sich ergehen lassen, bis sie die Informationen und Geständnisse, die die SA haben wollten, gegeben hatten. Nachdem die Gefangenen in Todesangst und mit zahlreichen und teilweise schweren Verletzungen ihre „Geständnisse“ gemacht hatten, sind viele nach meist wenigen Tagen wieder entlassen worden, andere sind in weitere Haftlager verlegt worden.

Die Vorgänge auf der Koburg im Jahre 1933 wurden unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wuppertal, die schließlich von Mai bis Anfang Juli 1949 vor dem Landgericht Wuppertal verhandelt wurden. Die noch lebenden Täter wurden zu mehr oder weniger geringfügigen Haft- und Geldstrafen verurteilt. Das Gericht wertete die Taten der Angeklagten alle als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und hat darüber hinaus auch in einigen Fällen die Straftatbestände der gefährlichen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung festgestellt. Letztlich war es dem Gericht aber nach mehr als fünfzehn Jahren nicht mehr möglich, einem oder mehreren Angeklagten den Mord an Wilhelm Schmitt oder die Misshandlungen an den Gefangenen im Einzelfall zu beweisen.

Rückwandererheim

Talstraße 189, 40822 Mettmann, DE

Das Heim gehörte zur Auslandsorganisation der NSDAP (NSDAP-AO). Das zuständige Amt war das Rückwandereramt. Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) übernahm den Betrieb einschließlich des Personals und der Ausstattung. Die Aufgabe der Rückwandererheime war es, den Zuzug zurückkehrender Reichsdeutsche zu organisieren und sie dabei auf ihre kriminelle und politische Vergangenheit, sowie eventueller Spionagevorhaben zu überprüfen. Rückwanderer aus dem "feindlichen Ausland" wurden auf geheimdienstlich verwertbare Informationen befragt.
Offiziell war es als Heim für Auslandsdeutsche bekannt. Diese Einrichtung war von Anfang 1938 bis Juli 1942 in diesem Gebäude untergebracht und war mit 250 Betten das zweitgrößte Heim im Deutschen Reich. Die Unterbringung im Heim war nur vorübergehend, bis den Rückkehrern Wohnungen und Arbeit (möglichst in der Rüstungsindustrie) vermittelt werden konnten. Laut Meldelisten wurden dort - teils für einige Tage, teils für mehrere Wochen - insgesamt 3470 Menschen betreut.
Verhaftungen, Durchsuchungen und Überprüfungen durch die Gestapo (Geheime Staatspolizei) erfolgten meist direkt im Rückwandererheim.
Hier worden wohl 20-25 Menschen verhört und in Schutzhaft genommen, einige in Konzentrationslager eingeliefert und vier Menschen dort getötet.

Die Rückkehrer
Viele Menschen kehrten freiwillig nach Deutschland zurück. Es gab jedoch auch Deutsche im Ausland, für die aufgrund veränderter politischer Situationen ein Leben dort nicht mehr vorstellbar war. Nach Mettmann kamen die Rückwanderer hauptsächlich aus Europa, vor allem Spanien, wovon einige gegen die Truppen des General Franco - und somit aus NS-Sicht auf falscher Seite - gekämpft haben, weswegen diese Personen besonders aufmerksam überprüft wurden. Viele der ersten Rückwanderer kamen aus der Sowjetunion. Am Anfang der 1930er gingen Sie aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen dorthin und mussten später aufgrund abgelaufener Arbeitsverträge und im Zuge der Säuberungen des Diktators Stalin zurück nach Deutschland.
Viele von ihnen waren Anhänger der KPD oder SPD, sowie Gewerkschaftsvertreter, weshalb sie auch unter besonderer Beobachtung der Gestapo standen und verhaftet wurden. Viele überlebten als Schutzhäftlinge in einem Konzentrationslager den Krieg.

Weitere Nutzung
Ab Juli 1942 bis 1948 waren dort obdachlos gewordene Familien, Flüchtlinge und Vertriebene sowie einige Büros der Kreisverwaltung des damaligem Kreises Düsseldorf-Mettmann untergebracht. 1948-1952 hatte die Freikirche der "Siebenten-Tags-Adventisten" ihr Seminar dort eingerichtet.

Jägerhaus

Talstraße 200, 40822 Mettmann, DE

Das Jägerhaus war eine bekannte Ausflugsgaststätte im Neandertal. Während des Zweiten Weltkrieg hat die Stadt Mettmann in dem Gebäude Zwangsarbeiter untergebracht, die in verschiedenen Fabriken in Mettmann arbeiten mussten.

Schwarzwaldhaus

Talstraße 265, 40822 Mettmann, DE

Mit der Besetzung der Städte durch die vorrückende amerikanische Armee endete die Beschäftigung der ausländischen Arbeitskräfte. Während sich die Arbeiter_innen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden oder Italien vielfach auf eigene Faust zu Fuß, mit der Eisenbahn oder auch per Anhalter auf den Weg in ihre Heimat machten, blieben die Arbeitskräfte aus Osteuropa in der Mehrzahl in den bisherigen Unterkünften oder wurden von der amerikanischen und später dann der britischen Besatzungsmacht in beschlagnahmten Gebäuden untergebracht. Ihre Rückkehr sollte zentral organisiert werden. Bis dahin hatte die jeweilige Stadtverwaltung für ihre Verpflegung und Kleidung aufzukommen und Sorge zu tragen. Auch 1946 und 1947 lebten noch ehemalige Zwangsarbeiter_innen im Kreis. Auf diejenigen, die in die Sowjetunion zurückgekehrt waren, wartete nicht die ersehnte Freiheit. Als Verräter beschimpft wurden sie in der Mehrzahl in Arbeitslager eingeliefert, um dort wiederum Zwangsarbeit zu leisten.
Im Neandertal gab es eine Unterkunft für die nunmehr "Displaced Persons" genannten ehemaligen Zwangsarbeiter_innen im Schwarzwaldhaus, das zu diesem Zweck von den amerikanischen und später den britischen Besatzungstruppen vom 26. April bis 11. Juli 1945 beschlagnahmt worden war. Wie viele Menschen dort untergebracht waren, lässt sich aus den überlieferten Quellen nicht belegen. Eher unwahrscheinlich ist, dass dort auch ehemalige Zwangsarbeiter aus dem Kalkwerk Neandertal untergebracht waren. Das Werk wurde bereits kurz vor dem Kriegsende am 11. März 1945 stillgelegt und alle beschäftigten Ausländer entlassen und in östliche Landesteile verlegt.
Nach der Räumung des Schwarzwaldhauses mussten zahlreiche Instandsetzungsarbeiten und Reparaturen durchgeführt werden. Das Besatzungsamt der Stadt Mettmann prüfte die Erstattungsansprüche des damaligen Besitzers Heinrich Haase und berichtete anschließend an die zuständige Kreis-Feststellungsbehörde: „Die Anordnung erfolgte auf Grund des Militär-Regierungs-Befehls, u. a. wurde das gesamte Anwesen in Beschlag genommen [...]. Es handelt sich um das grösste Café-Restaurant Mettmann’s. Das Haus hat während dieser Zeit sehr stark gelitten, d. h. das Inventar wurde teils demoliert und mutwillig zerstört, sodass die Instandsetzungsarbeiten unbedingt erforderlich waren [...].“
Die „Displaced Persons“ wurden von der deutschen Bevölkerung mit Argwohn betrachtet – vor allem wegen der ihnen zugeschriebenen Verbrechen. Alle waren nach Kriegsende bestrebt, diese Menschen, die man doch selbst nach Deutschland geholt hatte, schnell wieder loszuwerden.

Kalkwerk Neandertal

Mettmanner Straße 99, 40699 Erkrath, DE

Seit Kriegsbeginn wurden Arbeitskräfte angeworben bzw. Kriegsgefangene in der Industrie – u.a. auch in den Kalksteinbrüchen im Neandertal – eingesetzt. In der NS-Zeit wurden diese Menschen als Fremdarbeiter, ausländische Zivilarbeiter oder Gastarbeiter bezeichnet.
Die Zahl der im Kalkwerk arbeitenden Ausländer - Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiter und Freiwillige -, ist von 1939 bis 1945 kontinuierlich angestiegen (Januar 1939: 40 // Oktober 1943, Höchstzahl: 198).
Zu Beginn des Jahres 1939 waren rund 25 Prozent der Beschäftigten Ausländer. Bis zum Ende des Krieges stieg ihr Anteil auf fast 80 Prozent, so dass sich das Verhältnis Deutsche - Ausländer zueinander umgekehrt hat.
Mehr als 12 Millionen Menschen aus ganz Europa waren zwischen 1939 und 1945 im Deutschen Reich beschäftigt.

Arbeit
Zivile Zwangsarbeiter, direkt angefordert beim Arbeitsamt, gab es seit Mai 1942. Ab 1944 veranlasste die Fachgruppe Kalkindustrie weitere Zuweisungen von Ostarbeitern und sowjetischen Kriegsgefangenen durch das Arbeitsamt.
Polnische und französische Kriegsgefangene arbeiteten größtenteils im Steinbruch. Anfangs auch die sowjetischen Kriegsgefangenen, jedoch wurden sie wegen schlechter Gesundheitszustände auf Arbeitsplätze verteilt, wo sie leichtere Arbeiten verrichten mussten. Die russischen und italienischen Zwangsarbeiter wurden als Bohrer, Steinbrecher, Lokführer und Handwerker eingesetzt. Die Arbeitszeiten schwankten je nach Jahreszeit zwischen acht und zehn Stunden.
Im November 1943 wurden vom Arbeitsamt die ersten Frauen - zehn Ostarbeiterinnen aus Russland - zur Arbeit in das Kalkwerk geschickt. Die russischen Zwangsarbeiterinnen mussten in der Trockeneisfabrik und Mahlanlage als Packerinnen und in der Werksküche arbeiten. Außerdem waren sie für die Reinhaltung der Lagerräume zuständig.

Unterbringung
Die Unterbringung erfolgte auf dem Werksgelände in Baracken: Im sogenannten Ledigenheim (u.a. sechs große Räume und ein Aufenthaltsraum), einer massiven Steinbaracke, waren die freiwilligen italienischen Arbeitskräfte untergebracht.
Zwei Räume der drei hölzernen Baracken waren für die Unterbringung der militärischen Wachmannschaften während der Belegung mit polnischen, französischen und russischen Kriegsgefangenen. Später wurden hier nur noch Ostarbeiter, ab November 1943 die Ostarbeiterinnen untergebracht und die Wachräume als Kranken- und Handwerkerstube verwendet.
Das größte massive Gebäude mit einer Länge von ca. 63 Metern war für die sowjetischen Kriegsgefangenen vorgesehen und lag abseits der übrigen Baracken entlang dem Ringofen.
Verstöße gegen die Lagerordnung waren selten. In den meisten Fällen wurde dann der Sonntagsausgang gestrichen. Wegen eines Fluchtversuchs und eines Angriffs auf einen Wachmann mussten zwei Arbeiter für mehrere Tage in ein Straflager.

Die letzten Kriegsjahre
Aufgrund der Hierarchiestufen der Nationalsozialisten - Zwangsarbeiter standen unter den Deutschen - war kein Luftschutz für sie in den Betrieben vorgesehen. Auch im Kalkwerk sind viele Zwangsarbeiter bei Bombardierungen ums Leben gekommen, obwohl es Luftschutzanlagen (u.a. 3 Stollen) gab. Diese lagen relativ weit entfernt von den Unterkünften und waren nur während der Arbeitszeit schnell zu erreichen. Am 11. März 1945 wurde das Kalkwerk stillgelegt und alle beschäftigten Ausländer entlassen.